Soziale Rudelstruktur
Für die in Deutschland vorkommenden Wölfe kann man sagen: ein Wolfsrudel gleicht einer Familie. Die meisten Rudel bestehen aus einem Elternpaar und ihren Nachkommen. Das Elternpaar bleibt meist ein Leben lang zusammen und führt das Rudel an. Nur sie paaren sich und bekommen Nachwuchs. Die Jungtiere aus dem Vorjahr sind die Jährlinge oder auch „Jugendlichen“. Diese sind noch nicht geschlechtsreif, bleiben beim Rudel und helfen bei der Aufzucht der diesjährigen Welpen. Sie bringen mit Beute heran oder bleiben als „Babysitter“ bei den Welpen. Das Elternpaar führt die Jährlinge und die Welpen und gibt seine Erfahrungen an die Jungtiere weiter. Die Welpen haben nach acht Monaten fast schon die Größe erwachsener Wölfe. Dies ist die Zeit, in der das Rudel am größten ist.
Die Jährlinge werden zunehmend selbstständig und unternehmen Ausflüge innerhalb und außerhalb des elterlichen Territoriums, bis sie meist im Alter von 1-2 Jahren endgültig abwandern, um ein eigenes Rudel zu gründen. Die Größe des Rudels schwankt somit im Jahresverlauf meist zwischen 5 und 10 Wölfen. Die Schwankung der Rudelstärke wird durch die Geburt der Welpen, das Abwandern der Jährlinge und durch Todesfälle beeinflusst. Unter bestimmten Bedingungen können auch fremde Wölfe in das Rudel integriert werden.
Eine oftmals zitierte Rangfolge mit den „Alphatieren“ und einem „Omegawolf“ am unteren Ende der Hierarchie existiert bei den in Deutschland vorkommenden Wölfen aufgrund der Rudelstruktur bzw. Familienstruktur nicht. In anderen Ländern (z.B. Kanada) gibt es größere Wolfsrudel. Die Größe der Rudel richtet sich nach den vorhandenen Beutetieren, bei größeren Beutetieren werden auch die Wolfsrudel größer. Eine Hierarchie unter Wölfen entsteht nur, wenn mehrere geschlechtsreife Tiere zusammen leben. Um die dabei entstehenden Spannungen zu minimieren, bilden sich feste Rangordnungen. Viele Verhaltensbeobachtungen stammen von Tieren aus Gehegen, bei den sich aus genannten Gründen ebenfalls eine Hierarchie ausbildet. Bei freilebenden Wölfen in Deutschland wandern die geschlechtsreifen Tiere ab, so kommt es gar nicht erst zu Rangordnungskämpfen. Auf der Suche nach einem neuen Revier können Wölfe weite Strecken zurücklegen. Ein besendeter Wolf aus Deutschland wanderte 2009 innerhalb weniger Monate bis nach Weißrussland.
Ein Rudel besetzt ein Territorium, welches mittels Duftmarken (Kot, Urin), Sichtmarken (Kot, Scharrstellen) und Heulen markiert wird. Wölfe wählen ihr Territorium immer groß genug, so dass die Beutetiere ausreichen, um die Ernährung des Rudels langfristig zu gewährleisten. Je höher die Beutetierdichte in einem Gebiet, desto kleiner ist in der Regel das Wolfsterritorium. In Mitteleuropa sind Reviergrößen von 150-350 km² Größe bekannt. In der Lausitz beträgt die Wolfsdichte ca. 3 Wölfe/ 100 km² (2000-2009).
Unsere Sicht auf Wölfe wird auch von Bildern der amerikanischen Wölfe geprägt. Im nordamerikanischen Nationalpark Yellowstone ist die Rudelstruktur der Wölfe komplexer als in den meisten anderen Wolfspopulationen. Hier existiert ein Überschuss an Nahrungstieren. Die Jungtiere wandern hier erst mit 2-3 Jahren ab, nicht wie sonst mit 1-2 Jahren. Dadurch sind die Wolfsrudel größer und umfassen mehr erwachsene Tiere als sonst meistens üblich. Hier werden neben der Mutterwölfin auch Töchter geschlechtsreif, die dann alle im selben Jahr gedeckt werden, die Töchter meistens von rudelfremden Rüden.